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Starthilfe in der neuen Heimat

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Unterstützung für Flüchtlinge und Asylbewerber hat in Schillingsfürst breite Basis

SCHILLINGSFÜRST – Immer auf Abruf bereit: Deniz Meyer braucht für ihren ehrenamtlichen Einsatz viel Flexibilität und Spontanität. Die 34-Jährige ist nämlich die erste Ansprechpartnerin für Flüchtlinge und Asylbewerber, die nach Schillingsfürst kommen. Unterstützt wird sie dabei von einem engagierten Helferkreis, der mit verschiedenen Aktionen den Austausch zwischen den neuen und den bisherigen Einwohnern fördert.

Helferkreis Asyl stellte „Kleiderbox“ für Flüchtlinge und sozial schwache Bürger auf die Beine.

Helferkreis Asyl stellte „Kleiderbox“ für Flüchtlinge und sozial schwache Bürger auf die Beine.

Als vor wenigen Monaten der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern nach Deutschland die Schlagzeilen beherrschte, hatten die Kommunen auf dem Land alle Hände voll zu tun. Aber gerade wenn die dortigen Unterkünfte von privaten Wohnungsbesitzern an das Landratsamt vermietet wurden, erfuhren die zuständigen Gemeindeverantwortlichen erst davon, wenn die Neubürger sich dort anmeldeten. Deniz Meyer war sozusagen die Schaltstelle zwischen Landratsamt und Kommune.

Kleiderspende als Anfang

Angefangen hat für Deniz Meyer alles mit den Flüchtlingen, die in Diebach ein neues Zuhause gefunden haben. Der zweifachen Mutter kam zu Ohren, dass dort auch sehr viele Kinder mitgekommen waren. Ohne groß zu überlegen hat sie abgelegte Kleider ihrer Kinder als Spende dorthin gebracht. In Schillingsfürst geht ihre Arbeit über die Beschaffung grundlegender Ausstattung weit hinaus.

„Es läuft eigentlich echt gut“, sagt Deniz Meyer über die Zusammenarbeit mit Landratsamt, Vermietern und Flüchtlingen. Wenn das Landratsamt mit Flüchtlingen nach Schillingsfürst kommt, sei es wichtig, dass jemand vor Ort ist. Deniz Meyer fährt dann zur Wohnung hin und schaut, was am Dringends­ten gebraucht wird.

Danach steht die Anmeldung im Rathaus und eventuell auch in Schule und Kindergarten auf dem Programm. Zur Erstversorgung gehören auch Kleider, die in Schillingsfürst von vielen mitfühlenden Bürgern gespendet wurden. Anfangs sortierte Deniz Meyer die Kleider in ihrer Wohnung. Mittlerweile wurde das Engagement der Schillingsfürster in geordnete Bahnen gelenkt: In der einstigen Bäckerei Burkhardt wurde eine „Kleiderbox“ eröffnet.

Der Helferkreis Asyl hatte die Idee für diesen „Laden“, in dem Flüchtlinge, aber auch allgemein sozial schwache Mitbürger, Kleider, Schuhe und Spielsachen bekommen. Etwa 20 Jahre habe die frühere Bäckerei leergestanden, erzählen Gerlinde Pfeffer und Renate Pfann vom Helferkreis. Viele fleißige Hände halfen mit, sie für die Zwecke der „Kleiderbox“ urbar zu machen. Rund sechs Ehrenamtliche um „Ladenmanagerin“ Karin Hofmann stehen abwechselnd mittwochs von 14 bis 16 Uhr bereit, um bei der Kleiderwahl zu helfen und die abgegebenen Kleider zu prüfen und zu sortieren.

Übersicht behalten: Deniz Meyer kümmert sich auch um den behördlichen Schriftverkehr  der Flüchtlinge und Asylbewerber.  Fotos: Scheuenstuhl

Übersicht behalten: Deniz Meyer kümmert sich auch um den behördlichen Schriftverkehr der Flüchtlinge und Asylbewerber. Fotos: Scheuenstuhl

Deniz Meyer kann sich dadurch auf die anderen anliegenden Aufgaben konzentrieren. Bei den rechtlichen und behördlichen Fragen musste sie sich „alleine durchbeißen“. Ständig änderte sich etwas, erinnert sie sich. Egal ob für Asylverfahren, Kindergarten, Berufsschule, Busfahrkarten oder Krankenscheine: Es geht nicht ohne entsprechende Formulare.

Auf Postrundgang

Es hat sich als praktisch heraus­gestellt, die Dokumente aller Flüchtlinge und Asylbewerber zentral ab­zuheften, um die Übersicht nicht zu verlieren. Deshalb begibt sie sich alle zwei Tage auf ihren Postrundgang, um den behördlichen Schriftver- kehr der etwa 40 Asylbewerber einzusammeln, zu kopieren und die Originale wieder zurückzugeben. Zahlreiche Aktenordner stapeln sich als Folge im Wohnzimmer der zweifachen Mutter.

Auch wenn Deniz Meyer sich um den bürokratischen Teil des Lebens in Deutschland kümmert, weiß sie: „Die Selbstständigkeit ist für die Asylbewerber das A und O“. Denn spätestens wenn der Asylantrag angenommen wurde, sind die Betroffenen selbst für grundlegende Dinge wie Arbeit, Krankenkasse und Kindergeld verantwortlich.

„Ich kann mich gut auf andere Kulturen einstellen“, sagt Deniz Meyer. Dank ihrer türkischen Wurzeln hat sie einen kleinen Vorteil bei der Kommunikation. „Türkisch ist nah am Arabischen und da man eigentlich immer über dieselben Themen spricht, hat man schnell die arabischen Wörter dafür aufgeschnappt“, erklärt sie.

Die Schillingsfürs­ter Flüchtlinge und Asylbewerber besuchen aber natürlich auch Deutsch-Kurse. Es sei schön zu sehen, mit welcher Freude und welchem Interesse alle die deutsche Sprache lernen wollen. Manche organisierten sogar selbstständig die Fahrt zum Sprachkurs, als der eigentliche Fahrdienst nicht kommen konnte.

Ebenso beeindruckt Deniz Meyer die „deutliche Dankbarkeit, Herzlichkeit und Respekt“, die die erwachsenen und jugendlichen Flüchtlinge gleichermaßen den ehrenamtlichen Helfern für ihre Unterstützung zeigen. Die Begegnungen, wie etwa beim gut besuchten Spielenachmittag, seien für beide Seiten eine Bereicherung, da so in ungezwungener Atmosphäre mögliche Vorbehalte überwunden werden können.

Die Unterstützung der Flüchtlinge und Asylbewerber ist mit dem Engagement des Helferkreises, der Pfarrer, der politischen Akteure und Einzelner breit aufgestellt. Dennoch macht sich Deniz Meyer ein wenig Sorgen, und zwar um die ehrenamtlichen Helfer. Viele gehen so in diesem Einsatz auf und gewöhnen sich an die Flüchtlinge und Asylbewerber, dass sie dann zu kämpfen haben, wenn diese wieder fortgehen müssen. „Es ist einfach schwer dabei das richtige Gleichgewicht zu finden“, sagt die 34-Jährige. mes


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