Dinkelsbühler Jungvogel war noch nicht reif fürs Fliegen und fiel wohl aus dem Horst
OESTHEIM – Meist ist es ja ein freudiges Ereignis, wenn der Storch zu einem kommt. Falkner Andreas Ritz ist da momentan eher zwiegespalten. Denn seinen gefiederter Gast verschlug es erst zu ihm, als er – so vermutet der erfahrene Leiter der örtlichen Auffangstation für Greifvögel – in Dinkelsbühl aus dem Horst gefallen ist.

Adebar junior muss warten, bis seine Flügel ausgewachsen sind.
Rein äußerlich ist dem schwarz-weißen Prachtexemplar nichts anzumerken. Und die mögliche Bruchlandung hat auch keine Verletzungen mit sich gebracht. Doch der Kenner weiß: Das etwa vier Monate alte Tier braucht noch etwas Zeit, bis seine Flügel gleich gewachsen sind und er somit optimal ausbalanciert in die Lüfte steigt. Doch bevor er in den Oestheimer Himmel ausbüchsen kann, sorgt Andreas Ritz dafür, dass er mit seiner Familie in Dinkelsbühl zusammengeführt wird. Da die dortigen Störche ja sozusagen über ihren eigenen Fernsehsender verfügen, ist auch ziemlich schnell aufgefallen, dass einer der Jungstörche fehlt. Sein erster Flugversuch endete im Garten einer Dinkelsbühlerin. Das Tier wurde sodann ans Wörnitzufer gebracht, damit es von dort aus zu seiner Familie findet. Als der Jungvogel aber am Abend noch verängstigt an derselben Stelle anzutreffen war, wurde seine Rettung eingeleitet. „Eigentlich dürfen wir bei uns nur Greifvögel aufnehmen“, erklärt Andreas Ritz. Seine Auffangstation war aber die einzige Möglichkeit in der Nähe, das geschwächte Tier in Obhut zu nehmen und aufzupäppeln. Vom Landratsamt sowie den maßgeblichen Behörden und Organisationen bekam er dafür grünes Licht. Seitdem spaziert Meister Adebar durch den Garten von Andreas Ritz und erkundet seine Umgebung. Sein missglückter Flugversuch tat seiner Neugier und seinem Selbstbewusstsein aber keinerlei Abbruch. Denn gleich nach seiner Ankunft in Oest-heim stolzierte er vor den beiden Volieren auf und ab und machte den darin sitzenden Vögeln – Steinadler Aslan und Weißkopfseeadler Bonny – eine lange Nase beziehungsweise einen langen Schnabel.

Seltener Gast: Der junge Storch wird im Garten aufgepäppelt. Fotos: Scheuenstuhl
Die beiden Raubvögel beäugten den neuen Nachbarn skeptisch. Schließlich ist er trotz allem auch ein relativ großer Vogel und zudem er hat einen imposanten Schnabel, der aber noch ganz weich sei, wie Andreas Ritz erzählt. Am liebsten macht es sich der Jungstorch in einem zur Horstattrappe umfunktionierten Hundekorb bequem. Auf einem Bein stehend sammelt er darin im Schlaf Kräfte für seinen Flug in die Freiheit. Sein zweitliebster Einrichtungsgegenstand ist der Bottich mit Wasser, an dem er sich mit Hingabe gütlich tut. Ob das Tier männlich oder weiblich ist, lässt sich nicht sagen. Zur genauen Bestimmung müsste man ihm eine Feder ausreißen und sie zur DNA-Analyse in ein Labor schicken. Bei seinen Erkundungstouren im Ritz’schen Garten achtet der Jungvogel penibel darauf, nicht unter tiefhängenden Ästen durchzulaufen oder ein Gebüsch zu streifen. Denn ein verschmutztes Gefieder kann mitunter die Flugfähigkeit beeinträchtigen. Andreas Ritz und die Ehrenamtlichen von der Greifvogel-Auffangstation kümmern sich stets hingebungsvoll um ihre gefiederten Schützlinge. Doch das Ganze geht mit der Zeit ins Geld. Für den Neuankömmlich etwa wurden Mäuse besorgt, die mit 120 Euro pro Kilo zu Buche schlagen. Monatlich gibt der Verein 270 Euro für Futter aus. Deshalb ist die Greifvogel-Auffangstation dringend auf Spenden angewiesen. Da es sich um einen eingetragenen Verein handelt, wird auch eine Quittung dafür ausgestellt. Ohne weitere finanzielle Zuwendungen wird sich die 2005 gegründete Auffangstation, die für ganz Mittelfranken zuständig ist, jedoch langfristig nicht über Wasser halten können. Zwischen 60 und 100 Vögel werden jährlich dort aufgepäppelt. Wie die Arbeit der engagierten Ehrenamtlichen genau aussieht, zeigen wir in der Ausgabe am Samstag. mes