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Widrigkeiten getrotzt

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Schüler zogen Positives aus Frankreich-Austausch

ROTHENBURG – So eine Klassenfahrt ist in der Regel selten langweilig. Zu aufregend sind die vielen neuen Eindrücke und das Parlieren in der fremden Sprache. Dass der jüngs-te Schüleraustausch des Gymnasiums mit Frankreich aber derartige Überraschungen bereit hält, konnte niemand ahnen. Dabei machte nicht etwa die erhöhte Terrorgefahr, sondern vielmehr die Natur und der eigenwillige „Volkssport“ der Franzosen, der Gruppe zu schaffen.

Wenn immer alles reibungslos laufen würde, hätte man später bei Klassentreffen einige Anekdoten weniger zu erzählen. So können sich die Rothenburger Austauschschüler der 9. bis 11. Klasse des Reichsstadt-Gymnasiums über besondere Erinnerungen an ihre Frankreich-Fahrt freuen. Für Christine Mägerlein und Julia Ferger, die betreuenden Lehrkräfte, hätte es wohl gerne mindestens eine Unwägbarkeit weniger sein dürfen. Sie und ihre französischen Kollegen mussten heuer um einiges flexibler bei der Organisation sein.

Austausch in geschichtsträchtiger Umgebung: deutsch-französische Schülergruppe vor dem Schloss Fontainebleau.        Foto: privat

Austausch in geschichtsträchtiger Umgebung: deutsch-französische Schülergruppe vor dem Schloss Fontainebleau. Foto: privat

Bereits auf der Hinfahrt bekamen Schüler und Lehrer einen ersten Eindruck, unter welchem Vorzeichen ihr Aufenthalt in Paris stehen wird: An einer Raststätte sahen sie Fernsehbilder aus der Seine-Metropole und dabei war genau das der dominierende Aspekt: die Seine, die über die Ufer trat und Teile der Stadt unpassierbar machte. Auch Unterführung, die zum ersehnten Ziel führten, wurden gesperrt. Andere waren zwar offen, aber für Busse zu niedrig. Doch dank des ausgezeichneten Orientierungssinns ihres Busfahrers Hagen kam die Gruppe – wenn auch verspätet – schließlich doch noch am Lycée Marcel Pagnol in Athis-Mons an.

Die Häuser der Gastfamilien blieben von den Überschwemmungen verschont. Um eine Unterkunft stand es jedoch kritisch. Aber scheinbar brachte die Rothenburger Schülergruppe eine große Portion Glück mit und die Lage besserte sich noch vor der Ankunft. Tja, wenn Engel reisen… Allerdings musste die französische Schule wegen der Wassermassen zwischenzeitlich ihre Schüler in eine Zwangspause schicken.

Aber auch wo kein Hochwasser wütete, war ein Fortkommen alles andere als ein Kinderspiel. Was nicht durch die Natur lahmgelegt wurde, fiel dem Menschen zum Opfer. Zumindest einigen ihrer Vertreter, die ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt dem französischen „Volkssport“ frönten. Es ging dabei aber nicht um Fußball, denn die Europameisterschaft sollte erst nach der Abreise beginnen. Es handelte sich stattdessen um das Streiken. Dieses Mal waren die Eisenbahner an der Reihe.

Schon zu normalen Zeiten ist eine Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Paris alles andere als eine gemütliche Angelegenheit. Doch diesmal waren die Vorstadtzüge noch überfüllter als gewohnt. Da half nur hineinquetschen oder auf die nächste Bahn warten, sofern diese nicht gleich ganz ausfiel. Aber auch diese Hürde meisterte die Gruppe und wurde dafür von der französischen Hauptstadt belohnt. Denn die Sehenswürdigkeiten waren im Vergleich dazu umso weniger besucht. „Innerhalb von nur zehn Minuten waren wir im Louvre drin“, erinnert sich Christine Mägerlein. Auch den Eiffelturm habe sie noch nie so leer gesehen, erzählt die Paris erprobte Lehrerin. Um auf das Wahrzeichen überhaupt erst zu kommen, mussten die Besucher aber strengere Kontrollen auf sich nehmen. „Man hat die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt schon gemerkt, aber sie waren nicht übertrieben“, meint eine Teilnehmerin des Austausches.

Das gemeinsame Erkunden der Stadt der Liebe wurde dennoch in gewisser Weise eingeschränkt. Denn aufgrund der erhöhten Terrorgefahr nach den Anschlägen vom vergangenen November, dürfen französische Schulklassen nicht als Gruppe im öffentlichen Raum unterwegs sein. Der Rothenburger Reiseverbund musste stets eine spezielle Genehmigung dabei haben, die sie als deutsche Klasse (beziehungsweise als nicht französische Klasse) auswies.

„Die Schüler haben aber genauso viel von Paris gesehen, wie in den Jahren zuvor“, unterstreicht ihre Lehrerin. Es musste eben nur anders organisiert werden. Die Freizeit wurde verstärkt in kleineren Gruppen gestaltet. „Einmal saßen wir drei Stunden lang auf der Terrasse eines französischen Schülers und haben einfach nur geredet“, fügt eine andere Teilnehmerin hinzu. Dabei ging es nur ganz am Rande um die aktuelle Situa-tion in Paris. Vielmehr unterhielt man sich über ganz allgemeine Themen, die Jugendliche interessieren.

Und auch im Großen und Ganzen stand der gesamte Austausch nicht unter dem Eindruck der besonderen Sicherheitslage. Die Gastfreundschaft der Franzosen, die gemeinsamen Aktivitäten, das viele und gute Essen sowie das Erfolgserlebnis sich in der fremden Sprache merklich verbessert zu haben waren und sind auch diesmal die vorherrschenden Dinge, die im Bewusstsein der Jugendlichen für lange Zeit haften bleiben werden.

Auf der Heimreise griffen die Rothenburger Schüler zum Stift und hielten ihre Gedanken an die vergangene Woche auf Papier fest. Neben der „mega Stadt“ Paris, die sich nun guten Gewissens auch als „Stadt des Essens“ bezeichnen darf, fanden auch die Gastfamilien ihre verdiente Erwähnung, die sich „ganz viel Mühe gegeben“ haben. Für einen Teilnehmer sei es „gut und gerne“ sogar „eine der besten Wochen“ seines Lebens gewesen. Auch für die Schüler gab es Lob: „Die meisten Jugendlichen in Frankreich leben viel lockerer und genießen das Leben und sind trotzdem schon selbstständig“. mes


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