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Ein opulenter Strauß

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Geslau darf rückblickend stolz sein auf sein rundes Jubiläum und auf sich selbst

GESLAU – Heimat ganz groß geschrieben: Unter dem Motto „ Gesla – do sin mir daham“ haben viele Mitwirkende zum Jubiläum „600 Jahre Geslau“ einen opulenten Strauß von Vorführungen, Ausstellungen und Stationen gebunden. Zahlreiche Besucher, deutlich mehr als erwartet, kamen und freuten sich am Anblick. Bergstraße und Badergasse waren für den Verkehr gesperrt und es herrschte dort Betrieb wie in der Rothenburger Schmiedgasse zu Zeiten des Großandrangs. Rückblickend sind die Geslauer zurecht stolz auf das, was sie an den Jubiläumstagen auf die Beine gestellt haben.

Der Sonntag begann mit dem vom jüngst neu in die Gemeinde gekommenen Ortspfarrer Dr. Klaus Neumann im Festzelt gehaltenen Gottesdienst. In seiner Predigt ging er auf die 800 Jahre Geschichte Geslaus ein und unterstrich, wir sollten uns bewusst sein, dass es uns heute besser gehe als in den vergangenen Zeiten.

Den Bürgermeister wird nach dem Einsatz beim Heumachen ein verdienter Schluck gereicht. Fotos: Heim

Den Bürgermeister wird nach dem Einsatz beim Heumachen ein verdienter Schluck gereicht. Fotos: Heim

In einer beeindruckenden Ausstellung in der Kirche, die durch Monika Mühlauer und den Kirchenvorstand organisiert wurde, veranschaulichten bis in das ausgehende 17. Jahrhundert zurückgehende Hausbibeln die Frömmigkeit der Bevölkerung vor allem in schwierigen Zeiten. Am Nachmittag bewies Dr. Neumann, der zuletzt eine Tätigkeit an der Hochschule Augustana ausgeübt hatte, dass er auch beim Dreschen von Getreide mit Schlegel oder Dreschmaschine tätig sein kann.

Nach dem Mit­tag­essen, das durch die Firma Oppelt aus Großharbach ob des großen Andrangs mit zeitweiliger Unterstützung durch das Küchenteam der anderen Tage um Heidrun Krauss ausgerichtet wurde, fanden die Veranstaltungen im Dorf statt. Die Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft Rothenburg bewiesen beim Heuaufbocken, dass sie auch zupacken können. Zahlreiche Handwerker, darunter auch ein Hufschmied, zeigten Arbeitstechniken vergangener Zeiten oder bis heute tradierte Techniken. Bestaunt wurden auch Traktoren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zum Teil in Aktion zu sehen.

Auch die von der Firma Keitel gezeigten „historischen“ Lastwagen, die die Älteren aus den 50-er Jahren noch kennen, erregten die Aufmerksamkeit des Publikums und erinnerten an frühere alte Zeiten, die man selbst erlebt hat. Zahlreiche musikalische Darbietungen vor ansprechender Kulisse wurden von den Besuchern begeistert aufgenommen. An wechselnden Orten traten der Gesangverein und die Blaskapelle Geslau auf. Ein besonderer Höhepunkt fand an der ehemaligen Mühle statt.

Besonders beeindruckend waren beim Publikum die Aufführungen der Moritat um „Das schöne Müllers­töchterlein“ durch Joshua und seinen Großvater Hermann Moll, selbst Besitzer einer Mühle in Geslau. Die unglückliche Geschichte der Liebe zweier Müllerskinder, aber auch der Vortrag durch Joshua und seine Begleitung, geschrieben von Klaus Stuppi, bewegte manche Zuhörer so sehr, dass sie am Ende Tränen in den Augen hatten.

Wie die Alten sungen: Vielbeklatschte Modenschau zeigt, was die Geslauerin früher trug.

Wie die Alten sungen: Vielbeklatschte Modenschau zeigt, was die Geslauerin früher trug.

Aber auch für die Cineasten war einiges geboten: Günther Butt zeigte im evangelischen Gemeindehaus mehrfach einen einstündigen, kurzweiligen Film. Er hatte ihn selbst gedreht und er bestand aus Sequenzen über Zeitzeugen und über die Geschichte Geslaus. Im Obergeschoss befand sich eine Fotoausstellung von rund 250 ausgewählten Bild- und Kartenreplikaten, die nach verschiedenen Themen sortiert die Geschichte Geslaus und seiner Bewohner seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zeigten. Die Fotos wurden von den Bürgern Geslaus zur Verfügung gestellt und als Replikate ausgestellt.

Im Gemeindehaus las der früher in Geslau ansässige Mundartdichter Leonhard Vogel einige seiner Gedichte, musikalisch begleitet vom ehemaligen Bürgermeister und früheren Landrat Rudolf Schwemmbauer an der Ziehharmonika. In einem Haus war eine Rockenstube eingerichtet. Rockenstuben waren in vergangener Zeit in den Wintermonaten Treffpunkt junger, unverheirateter Frauen, die hier gemeinsam Handarbeiten wie Spinnen, Klöppeln oder Stricken verrichteten.

Zugleich fungierten sie als Nachrichtenbörse, waren Stätten ausgelassener Fröhlichkeit und gaben Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht, weswegen sie zeitweise verboten wurden. Doch an diesem heißen Tag klöppelte man im Freien im Schatten einer Scheune. Viel Beifall bekamen an diesem Nachmittag auch die Mädchen und jungen Damen um Magdalena Moll, die in Originalkostümen und Trachtenkleidern die Mode der letzten 100 Jahre präsentierten. Für Erfrischungsgetränke und Wegzehrung war längs Bergstraße und Badergasse bestens gesorgt. Eine Besonderheit stellte der vom Obst- und Gartenbauverein frisch gepresste Apfelsaft dar.

Gegen 17 Uhr setzten im Festzelt die Geslauer Volkstanzgruppe und mit Bezug zur „Neuen Welt“ (Auswanderung) die Linedance-Gruppe um Marianne Lehmann musikalische Akzente am viel zu früh ausklingenden Tag. Max Frisch, Autor und Schriftsteller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schrieb in seinem Tagebuch: „Heimat ist unerlässlich, aber sie ist nicht an Ländereien gebunden. Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir vernehmen und erreichen. Insofern ist sie vielleicht an die Sprache gebunden. Vielleicht, denn in der Sprache allein ist sie ja nicht.“

Die Bewohner von Geslau, ob Einheimische oder Zugereiste, haben in den Tagen des Fes­tes gezeigt, dass dies Realität ist. Das Rückbesinnen endet aber jetzt nicht mit dem Ende der Festtage. Die nächsten Heimatabende, an denen die Erinnerungen an das zurückliegende mehrtägige Jubiläum nochmal nachklingen darf, sind auf vielfachen Wunsch aus der Bevölkerung bereits fest geplant. bh


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