Zwei junge Meisterkurs-Pianisten mit festen musikalischen Überzeugungen
SCHILLINGSFÜRST – Jung, aufgeschlossen und unglaublich talentiert: Vitaly Pisarenko und Dominic Chamot haben das geschafft, worauf viele hoffen. Sie konnten ihre große Leidenschaft, die Musik, zu ihrem Lebensinhalt machen. Beim Liszt-Meisterkurs auf Schloss Schillingsfürst bekommen sie gerade einen weiteren künstlerischen Feinschliff von Leslie Howard. Dagegen sind ihre Meinungen zur einzig wahren Musikrichtung, Sport und der neuesten Entwicklung, Popmusik mit Klassik zu verbinden, schon sehr ausgereift.
Man merkt schnell, dass die beiden trotz ihres Altersunterschieds von sieben Jahren sehr viel gemeinsam haben. Ihr Lieblingsthema, das sie mit großem Enthusiasmus und zahlreichen Anspielung-en für Kenner anreichern, ist die Musik. Der 19-jährige Dominic Chamot und der 27-jährige Vitaly Pisarenko können sich überhaupt nicht vorstellen, etwas anderes in ihrem Leben zu machen. Alternative, musiklose Berufsoptionen: Fehlanzeige. „Wir sind froh, dass wir genau das machen dürfen, was wir am meisten lieben“, erzählt Dominic Chamot. Wie üblich bei Profimusikern wurde der Grundstein für ihre Karriere schon sehr früh gelegt. Vitaly lernt seit seinem fünften Lebensjahr Klavierspielen. Sein Musikstudium absolvierte er erfolgreich am Staatskonservatorium in Moskau. „Es ist einfach eine ganz eigene Art zu leben“, erklärt er seine Faszination für das Musikerdasein.
Zwar spielt seine Mutter auch Klavier und sein Vater Trompete, aber professionell Musik zu machen, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Anders sieht das bei dem gebürtigen Kölner Dominic Chamot aus: Seine Eltern sind beide Orchestermusiker und auch sein älterer Bruder hat sich für ein Musikstudium entschieden. Dominic selbst ist an der Hochschule Basel im Fach Piano eingeschrieben. Allerdings gelangte er erst über einen Umweg zum Klavier. Sein erstes Instrument war nämlich die Violine. Mit neun Jahren kam dann schließlich das Tasteninstrument hinzu, auf dem er dann „sehr schnell sehr viel besser spielen“ konnte. Seitdem ist er dem Klavier treu geblieben. „Ich würde niemals Tuba lernen“, meint Dominic halb scherzhaft, halb im Ernst. Und auch Vitaly, der mittlerweile in London lebt, könne sich für seine Profikarriere überhaupt kein anderes Musikinstrument vorstellen. Ebenso klar sind die beiden in ihrer Überzeugung, was für sie die einzig gültige Musikrichtung ist, nämlich Klassik. Sie macht bei Vitaly etwa 90 Prozent der Lieder auf seinem Mobiltelefon aus. Der Rest ist Rockmusik und Jazz. Aber nur ausgewählte Stücke und auch nur in sehr geringem Maße. Für die beiden geht eben nichts über die klassische Musik. Deshalb sehen sie auch eine Entwicklung der letzten Jahre besonders skeptisch: Zahlreiche Künstler versuchen Klassik für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen, indem sie sie mit Elementen aus der Pop- oder Rockmusik vermischen. „Schrecklich“ lautet Vitalys Fazit. Den meisten gehe es dabei vor allem ums Geld. Und auch für Dominic wäre dies keine erstrebenswerte Ausrichtung als Musiker: „Dabei geht zuviel von der Besonderheit klassischer Werke verloren, die ja von ihren Verfassern besonders genau durchdacht wurden. Trotzdem fänden sie es schön, wenn die Klassik mehr Leute erreichen würde. Oftmals werde sie als langweilig empfunden. Laut Vitaly liege das daran, dass gefällige Klassikstücke an vielen Orten zur akustischen Berieselung im Hintergrund eingesetzt werden. Die Menschen sind dann zwar an sie gewöhnt, haben aber keinen wirklichen Zugang zu ihr und können ihren künstlerischen Wert nicht schätzen.
Musik hören und dabei zur gleichen Zeit alles mögliche machen wie etwa Fahrrad fahren, für den Unterricht lernen oder kochen? Unvorstellbar für Dominic. Selbst wenn er in seiner Freizeit Musik hört – die klassische Variante selbstverständlich – gibt er sich ganz dieser hin, ist konzentriert und setzt sich mit ihr auseinander. Auch bei der Quantität hebt er sich ab: Zwei bis drei Stunden hört er pro Tag Musik, während sich andere Altersgenossen fast 24 Stunden lang durchgängig beschallen lassen. Viel Zeit geht auch für das Üben drauf, wobei dies, je nachdem ob demnächst ein Konzert oder eine Prüfung ansteht, variiert. Doch auch wenn dadurch mehr freie Zeit für die beiden herausspringt, ist zumindest Sport keine favorisierte Art diese auszufüllen. Abgesehen davon, dass viele Sportarten wie etwa Basketball wegen einer möglichen Handverletzung zu gefährlich sind. Die beiden sind auch nicht unbedingt die geborenen Sportler, noch nicht einmal auf passive Weise. „Aber wir leiden wirklich nicht darunter keinen Sport machen zu können“, betonen sie. Nach ihrem musikalischen Traum gefragt, zeigen sie sich sehr geerdet. Als Jugendlicher, der davon schwärmt, mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, gebe es nichts größeres als einmal in der weltberühmten Carnegie Hall in New York zu spielen. Heute sei für Dominic das wichtigste, solange wie möglich als Profipianist arbeiten zu können. Und auch bei Vitaly steht im Vordergrund, beim Spielen stets sein Bestes geben zu können und mit seiner Musik auszudrücken, was er dabei fühlt.
Als junge Talente am Anfang ihrer Karriere wird es noch einige Höhepunkte in ihrer Laufbahn geben. Und die Nervosität in gewissen Situationen wird mit der Zeit auch zurückgehen. Im Alter von 16 Jahren, erinnert sich Dominic, spielte er bei einem Wettbewerb in Wien. Sein Auftritt, bei dem er von einem Orchester begleitet wurde, dauerte sieben Minuten. Weniger das Musikstück, sondern vielmehr die zahlreichen Fernsehkameras und Scheinwerfer machten ihn nervös. Vitaly reagiert genauso auf Kameras, wenn er spielt. In Schillingsfürst wird den beiden die besondere Ehre zuteil von Leslie Howard, einem ausgewiesenen Liszt-Spezialisten, unterrichtet zu werden. Die Nachwuchsmusiker sind begeistert von ihrem Mentor. Sein absolutes Gehör und seine Fähigkeit, Stücke nach einmaligem Hören nachspielen zu können, vergrößern sein musikalisches Ansehen umso mehr. Auch sein liebstes Gesprächsthema ist natürlich die Musik. mes