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„Traum einer Dorfpfarrstelle“

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Als Dekane nach Schwaben: Pfarrerehepaar Schieder nimmt Abschied von Geslau

GESLAU – Eine herzliche Überraschung und ein großes Lob zum Abschied verdeutlichen die gegenseitige Wertschätzung und Verbundenheit, die sich in den vergangenen 13 Jahren zwischen Pfarrerehepaar und seiner Kirchengemeinde entwickelt hat. Freud und Leid liegen für beide Seiten in diesen Wochen ganz nah beieinander.

„Es war eine erfüllte Zeit“: Christoph und Claudia Schieder fanden in Geslau eine Heimat. Fotos: privat

„Es war eine erfüllte Zeit“: Christoph und Claudia Schieder fanden in Geslau eine Heimat. Fotos: privat

„Es war klar, dass der Zeitpunkt irgendwann kommen wird, doch man dachte ‘irgendwann’ sei nie“: Nun heißt es aber doch Abschied nehmen. Nach 13 Jahren verlässt das Pfarrerehepaar Claudia und Christoph Schieder seine beiden Kirchengemeinden Ges­lau und Frommetsfelden (Deka­nat Leutershausen). Es gehöre einfach zum Beruf dazu, nach einer bestimmten Zeit die Wirkungsstätte zu wechseln, erklären sie die Entscheidung.

Im Vorfeld stellten sie sich selbst die Fragen „Wann passt es?“, „Wann können wir uns das vorstellen?“. Es galt einige Faktoren abzuwägen, gerade auch im Hinblick auf ihre beiden Kinder. Paul wird im kommenden Schuljahr auf die Realschule wechseln, die 14-jährige Rebecca hat noch vier Jahre bis zum Abitur. Gerade ihr wollten die Eltern noch die Chance geben, genügend Zeit in Memmingen als Familie zu verbringen, um dort auch heimisch zu werden.

Nach der anfänglichen und verständlichen Unsicherheit über den anstehenden Um­zug zeigten sich die Kinder aber „stark und offen“. Sie versuchten die Möglichkeiten zu sehen, die ihr neuer Wohnort bieten könne. Zwar bedeutet dies, dass Rebecca in den Ferien Spanisch lernen muss, dafür wird Paul dort aber Rolli-Sport machen können. Es werden auch schon fleißig Pläne geschmiedet, wann man sich wie und wo mit den Freunden aus Geslau wieder treffen kann.

St. Kilian war bislang Wirkungsstätte des Pfarrerehepaars.

St. Kilian war bislang Wirkungsstätte des Pfarrerehepaars.

Die ganze Familie Schieder ist im Ort verwurzelt. Privat und beruflich haben sie dort ein Stück Heimat gefunden. Es sei all die Jahre ein „tolles Miteinander“ voller Herzlichkeit in der Gemeinde gewesen, bekräftigen die beiden. Deshalb ist der Stellenwechsel alles andere als eine Flucht aus der mittelfränkischen Provinz. Ganz im Gegenteil: „Geslau ist der Traum einer Dorfpfarrstelle, besser als hier geht es nicht“, lobt Christoph Schieder und ergänzt: „Es war eine erfüllte Zeit.“

Immer mit Geslau vergleichen

Es ging dem Pfarrerehepaar also nicht darum, einfach irgendeine andere Stelle anzutreten, um des bloßen Wechsels willen. Bei einer weiteren Dorfpfarrstelle hätten sie immer Vergleiche mit Geslau gezogen, sagen sie. Es sollte deshalb „inhaltlich und strukturell etwas anderes kommen“.

Bewusst haben sie sich im vergangenen März dann auf die freie Dekanstelle in Memmingen beworben. „Wir waren aber nicht auf dem Absprung“, erklärt Claudia Schieder „sondern haben trotz der Bewerbung unser Leben in Geslau weiter gestaltet“. So wurde Sohn Paul etwa noch in der Rothenburger Realschule angemeldet.

Erst im Juni fiel die Entscheidung des Dekanatsausschusses und des Kirchenvorstandes der Gemeinde St. Martin, dass Christoph und Claudia Schieder als Dekane-Ehepaar die Nachfolge von Kurt Kräß antreten können. Dem Ehepaar war es wichtig, dass die Stelle wie in Geslau zwischen ihnen geteilt wird. Von Seiten des Wahlgremiums gab es hierbei keine Probleme. Bayernweit findet sich nur in Ingolstadt und Heidenheim eine derartige Konstellation.

Aus Schreck wird Mitfreude

Für die beiden Gemeinden war die Nachricht, dass ihre Pfarrer fortgehen, zunächst ein Schreck. Schnell schlug dies aber in eine Freude für die Familie über ihren neuen Lebensabschnitt um. „Das berührt uns sehr“, so die Geistlichen. Natürlich wollte man sie nicht nur mit herzlichen Worten ziehen lassen. Die Gemeinde hat sich deshalb ein ganz besonderes Abschiedsgeschenk ausgedacht.

Eigentlich sollte man meinen, der Pfarrer im Dorf wisse über alles Bescheid. Die Gemeindemitglieder unter „Rädelsführer“ Bürgermeister Richard Strauß traten den Gegenbeweis an. Das Gemeindeoberhaupt informierte alle im Dorf – natürlich bis auf Familie Schieder –, dass sie zusammenkommen sollen, um ein gemeinsames, professionell arrangiertes Foto mit der Pfarrerfamilie zu machen, damit diese ihre Gemeinde stets in Erinnerung behalten wird.

Die Überraschung über den mit Menschen gefüllten Marktplatz war bei den hinzugerufenen Schieders groß. „Alle hatten eine diebische Freude, dass wir nichts mitbekommen haben“, erinnert sich Claudia Schieder. Das Foto bekomme natürlich einen Ehrenplatz im neuen Zuhause der Familie. An diesem Sonntag wird um 13.30 Uhr bei einem Abschiedsgottesdienst in der Geslauer Kirche mit einem anschließenden gemütlichen Beisammensein im Pfarrgarten offiziell „Auf Wiedersehen“ gesagt.

Der Abschiedsschmerz ist vor allem persönlicher Natur. Denn was die inhaltliche Arbeit betrifft, so können sie „guten Gewissens“ gehen. Nötige Projekte wie etwa der Neubau des Pfarrhauses oder die Generalsanierung der Kirche St. Kilian sind abgeschlossen. Bereiche wie beispielsweise die Flüchtlingsarbeit sind und waren schon immer auf viele engagierte Schultern verteilt.

Am 1. September erfolgt schließlich der Umzug. Dienstbeginn ist aber erst im November. Den Neu-Dekanen wird eine sechs-bis achtwöchige Studienzeit gegeben, um sich auf das Amt vorzubereiten. Es kommen nun neue juristische Dimensionen, ein größerer Verwaltungsbereich und anders gelagerte Leitungsverantwortung auf sie zu. In Memmingen hat der Dekan außerdem die erste Pfarrstelle der Kirchengemeinde St. Martin inne. Zudem gibt es zwei weitere Pfarrer und einen Diakon für die zusammen 3500 Gemeindeglieder.

Ganz genau geprüft

Für Christoph Schieder wird es nicht nur inhaltlich, sondern auch kulturell und landschaftlich eine neue Erfahrung sein. Seine Frau hat da schon einen kleinen Vorsprung. Ihr Vater war Pfarrer im benachbarten Woringen. Sie selbst ist in Memmingen zur Schule gegangen. Aber es sei definitiv keine „Rückkehr in die alte Heimat“, sondern ein gemeinsamer Neuanfang. Man habe vielmehr gerade deshalb diese Entscheidung noch einmal genau geprüft, erklärt sie.

In Memmingen werde das Dekane-Ehepaar ein „neues Gemeindebewusstsein“ erleben. Aufgrund des katholischen Umlandes befinde man sich dort in einer gewissen „Diaspora-Situation“. Andererseits wirken sie dann in der denkmalgeschützten Stadtpfarrkirche St. Martin, die eine der ältesten Kirchen Oberschwabens ist. Außerdem ist dort ein über 500 Jahre altes Chorgestühl beherbergt, eines der besten spätgotischen Schnitzwerke in Süddeutschland.

Trotz vorgegebener Aufgaben werden sich die Dekane auch eigene Tätigkeitsbereiche suchen. Gerade die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen liegt ihnen am Herzen. Von seinen Jungscharkindern wurde Christoph Schieder zum Abschied gedrückt. „Das lässt einen nicht ungerührt“, gibt er zu. mes


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