Hohenloher Kultursommer mit Liszt-Schwerpunkt
SCHILLINGSFÜRST – Es war ein großartiger Nachmittag für die Konzertfreunde des Hohenloher Kultursommers, den man mit „Liszt – Liszt – Liszt“ hätte übertiteln können, denn tatsächlich waren in allen drei Konzerten in der Schloss-Stadt Werke von Franz Liszt zu hören – auf höchstem Niveau.
Für die Ausnahmepianistin Mariam Batsashvili war der Auftritt im Musiksalon des fürstlichen Schlosses ein Heimspiel, hatte sie doch bereits zweimal an der Liszt-Akademie mit Leslie Howard teilgenommen. Mittlerweile ist sie eine weltweit gefragte Pianistin, spielt in Südamerika, Israel oder Südafrika und legte für den Hohenloher Kultursommer einen Zwischenstopp in Schillingsfürst ein. Zweifelsohne ist sie die „Meisterin der Tasten“. 2014 hat sie den 1. Preis beim 10. Internationalen „Franz-Liszt-Wettbewerb“ in Utrecht gewonnen, doch sie darauf zu reduzieren, wäre zu wenig. Mariam Batsashvili ist eine brillante Technikerin, Grundvoraussetzung, um den überaus anspruchsvollen Werken von Franz Liszt überhaupt gerecht zu werden.
Feinsinnig durchdringt sie die einzelnen Stücke, ja sie durchlebt sie und nimmt die Zuhörer mit ihren ersten Tönen für sich ein. Franz Liszt hat Georg Friedrich Händels berühmte Sarabande und Chaconne aus dem Singspiel „Almira“ bearbeitet, markant spielt Mariam Batsashvili den barocken Charakter des Werkes heraus, bettet ihn in den Lisztschen Zauber ein. Tosender Applaus gleich nach dem ersten Stück. Mariam lässt die suchende Seele im „Bénédiction de Dieu dans la solitude“ aus den „Harmonies poétiques et religieuses“ erklingen, sinnlich und äußerst getragen nimmt sie die Zuhörer mit in die Welt mystischer Kontemplation, lädt zu tiefen religiösen Empfindungen ein. Der warme und weiche Klang des Flügels kommt ihr und dem Werk dabei sehr entgegen. Ein weiteres Glanzstück folgt mit „Der Erlkönig“ von Franz Liszt. Die Pianistin schwebt über die Tasten, spielt mit ganzem Körpereinsatz bis zur Erschöpfung. Sie braucht eine kleine Pause, das Publikum applaudiert ununterbrochen, bejubelt sie. Verträumt und verspielt dahinschwebend erklingt „Die Loreley“. In einem unglaublichen Tempo jagt sie beim Presto aus „Venezia e Napoli“ über die Tasten und gipfelt in der „Ungarischen Rhapsodie“ Nr. 2 in cis-Moll, einem der schwersten Stücke der klassischen Klaviermusik überhaupt. Ihre atemberaubende Darstellung geht unter die Haut, lässt das Publikum jubeln. Vier Mal geht Mariam Batsashvili nach draußen, donnernder, nicht enden wollender Applaus. Die Ausnahmepianistin braucht keine Noten, auch nicht für die beiden Zugaben, ohne die sie das Publikum nicht gehen lassen möchte: So überrascht sie ihre Zuhörer mit einem Menuett in G-Dur des polnischen Pianisten und Ministerpräsidenten Ignaz Paderewski und fegt mit riesigen Staccato-Sprüngen und perlenden Arpeggien durch Liszts „La campanella“ – einfach grandios.
Die Pianistin hatte die Werke sorgfältig zusammengestellt, das Publikum tief eintauchen lassen in die Klangfülle und die thematische Vielfalt des Komponisten, der selbst auf Schloss Schillingsfürst konzertierte: Bravissimo Mariam! Für die Liebhaber der Kammermusik gab es zeitgleich musikalische Leckerbissen im Sälchen der Doerfler-Galerie. Christiane Meininger und Rainer Gepp hatten Werke von Franz Liszt im Programm, eröffneten den Nachmittag aber mit der Sonate in D-Dur von Johann Nepomuk Hummel. Hummel, ein Mozart-Schüler und der einzige Schüler, den Mozart bei sich je zu Hause wohnen ließ, hatte die Flötensonate in Wien komponiert. Die Kompositionen von Hummel repräsentieren den Übergang von der Wiener Klassik zur Romantik: Heiter und beschwingt mit lyrischer Leichtigkeit interpretierte Christiane Meininger das „Allegro con brio“, getragen und sehnsuchtsvoll das in Moll komponierte „Andante“, fröhlich und tänzerisch das „Rondo pastorale“. Rainer Gepp, der unter anderem bereits in der Carnegie Hall in New York gastierte und über ein umfangreiches Solorepertoire verfügt, ist der ideale Pianist an ihrer Seite. Man spürt, dass die beiden seit mehr als 15 Jahren gemeinsam musizieren – auf hohem Niveau.
So verwundert es nicht, dass sich beide mit Franz Liszt auseinandersetzen, eine Bearbeitung für Flöte und Klavier „Au bord d’une source“ klanglich hervorragend darstellen und das Publikum mit Carl Reinecke ins 20. Jahrhundert entführen. Dieser war ab 1860 Kapellmeister des Leipziger Gewandhausorchesters. Zu seinen bekanntesten Kompositionen gehört die Sonate „Undine“ in e-Moll op. 167 für Flöte und Klavier. Im ersten Satz, einem „Allegro“, wird die Titelheldin, die Nixe Undine vorgestellt. Die Flöte übernimmt hier eine romantische, sehnsuchtsvolle Rolle, hat sich doch die Nixe in den Ritter Huldbrand verliebt und ihn mit ihrer überirdischen Schönheit in ihren Bann gezogen. Es kommt zu einer Begegnung der Liebenden, doch der Ritter verlässt Undine zugunsten einer Menschenfrau und raubt Undine damit ihre Seele. Das Publikum darf die Liebestragödie mit durchleben, dramatisch wunderbar entwickelt in herrlich inspirierendem Zusammenspiel der beiden Interpreten: Viel Applaus und ein russisches Volkslied in einer Beethoven-Bearbeitung als Zugabe. Das Abschlusskonzert hatten die Veranstalter vom Schlossinnenhof in die evangelische Kirche verlegt, der Regen war auch in Schillingsfürst angekommen. „Ein bisschen Liszt und mehr“ übertitelten die 12 Bläser und ihr Schlagwerker das Konzert und boten 75 Minuten lang Bläsermusik vom Feinsten. Gewaltig der Auftakt mit Georg Friedrich Händels Ouvertüre zur „Feuerwerksmusik“ in voller Bläserbesetzung, zurückhaltend die beiden Choräle von Franz Liszt mit dem „Ave Maria“ und dem „O Roma nobilis“. Eine unglaubliche Dynamik entwickelten die Bläser in Gioachino Rossinis Ouvertüre zur Oper „Wilhelm Tell“. Man wähnte sich in einem italienischen Theater, grandios die Gewittertöne der Posaunen, mächtig und überaus klangschön die Hörner, nahtlos die Übergänge der Melodiestränge von der Tuba zur Piccolotrompete.

Konzert „Ein bisschen Liszt und mehr“ in St. Kilian: stimmungsvoller Schlusspunkt für den Hohenloher Kultursommer. Fotos: Schwandt
Das Publikum sparte nicht mit Applaus und Bravorufen, doch die jungen Künstler hatten noch mehr zu bieten, passend für den sakralen Raum. Felix Mendelssohn-Bartholdy stand auf dem Programm, in einer wunderbaren Bearbeitung als Doppelquartett durften die Zuhörer Tönen aus dem Oratorium „Elias“ lauschen. Erhebend die Darstellung des Chorsatzes „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ durch die Trompeten und Posaunen, in welchen sich die Hörner stimmungsvoll einfügten. Für die Besucher des Klavierkonzertes auf dem Schloss gab es eine Überraschung: Die von Mariam Batsashvili grandios gespielte „Ungarische Rhapsodie“ Nr. 2 war in einer Bläserbearbeitung zu hören – immer wieder mit gestopften Trompeten. Eine Herausforderung für die Bläser, aber auch für das Publikum, das das Werk so ganz anders im Ohr hatte. Weiter ging es ins 20. Jahrhundert: Die Bläser wandten sich dem Ragtime zu, mit George Gershwin und seiner Hommage an die Wellen, die an Venedigs Rialto-Brücke schlagen, den beschwingt-bewegenden „Rialto Ripples“. Rund 200 Besucher fanden in der Kirche Platz, und sie lauschten einem Werk des jungen Komponisten Steven Verhelst (geboren 1981), der eine Erkennungsmelodie für das Bläserensemble „10forBrass“ komponiert hatte, in welchem jedes der Instrumente und jede der dargestellten Stilrichtungen Platz fand.
Frech und beschwingt der Auftakt, sentimental der hymnische Mittelteil, dynamisch und gewaltig der Abschluss. Mit Zequinha Abreu entführten die jungen Künstler ihre Zuhörer feurig und temporeich mit „Tico Tico“ nach Brasilien. Dass sie auch improvisieren können, zeigten sie bei ihren Zugaben: Dem Locken des Schlagzeugers folgten Tuba, Posaunen, Hörner und Trompeten. Die Kirche zeigte sich mit ihrer hervorragenden Akustik als idealer Ausweichort für das Konzert. Schillingsfürst hat sich zur fränkischen Liszt-Metropole entwickelt und etabliert sich zusehends als hohenlohisches Kulturzentrum. Und so war aus Publikumsmunde zu hören: „Wir lieben diesen Platz“ und setzen alles daran, immer beim Hohenloher Kultursommer in Schillingsfürst zu sein. sw