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Ein akribischer Zeitgenosse

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Günter Hellenschmidt verwahrt das historische Gedächtnis der Gemeinde Wörnitz

WÖRNITZ – Viele Kommunen haben einen haupt- oder ehrenamtlichen Archivar, welcher wichtige Dokumente der örtlichen Zeitgeschichte sammelt und für die Nachwelt festhält. In der Gemeinde Wörnitz gibt es diese Funktion offiziell nicht. Falls dort jemand Erinnerungen in Bild oder Text aus der Vergangenheit sucht, dann wird er an Günter Hellenschmidt (68) verwiesen, der seit Jahrzehnten akribisch über die Ortsgeschichte und darüber hinaus Buch führt und Fotos sammelt.

Zu Hause in seinem Büro hat Günter Hellenschmidt vieles archiviert. Allein zehn Ordner enthalten Unterlagen über die Gemeinde Wörnitz.Foto: Meyer

Zu Hause in seinem Büro hat Günter Hellenschmidt vieles archiviert. Allein zehn Ordner enthalten Unterlagen über die Gemeinde Wörnitz. Foto: Meyer

„Die Arbeit von Günter Hellenschmidt kann man nicht hoch genug anerkennen“, sagt auch Bürgermeister Karl Beck, der mitunter beim ehemaligen Gemeinderatsmitglied nachfragt, wenn es um historische Belange in seiner Kommune geht. Zwar seien auf dem Dachboden des örtlichen Rathauses einige alte Unterlagen hinterlegt, doch als „Archiv“ möchte das Gemeindeoberhaupt diese lose Sammlung nicht bezeichnen.

Wenn Ende November in die Planungen nach dem Gemeindeentwicklungskonzept eingestiegen wird, soll ein künftiges Gemeindearchiv in die Überlegungen, wie man die kommunalen Räumlichkeiten mit dem bisherigen „Zwölf-Stämme-Haus“, in der Wörnitzer Ortsmitte in der Zukunft nutzen will, einbezogen werden. Deshalb sei es „super“, dass es solche Leute wie Günter Hellenschmidt gibt, welche das Vermächtnis der Gemeinde in Ehren halten, weiß Beck das Wirken des früheren Mechanikers zu würdigen. Dabei geht die „Sammelwut“ des in Buch am Wald geborenen Ruheständlers noch auf seinen Vater zurück, der nach seinem Tod im Jahre 1970 umfangreiche Unterlagen bis zurück in die Zeit des Nationalsozialismus hinterlassen hatte.

Zurück bis ins Jahr 1929

Günter Hellenschmidt hat diese Dokumente, welche bis ins Jahr 1929 zurückreichen, bis heute bei sich aufbewahrt. Darunter befinden sich nicht nur Schriftstücke aus der NS-Zeit, sondern auch Originalausgaben des „Stürmers“, dem Sprachrohr der Nazis, aber auch Abzeichen und Ausweise aus dieser Zeit, welche heute bei Sammlern großes Interesse erwecken.

Nach dem Tod des Vaters hat der Sohn diese Erinnerungsstücke mit nach Wörnitz genommen, nachdem er ein Jahr zuvor die dort gebürtige Gerda Neußer geehelicht hatte und damit in die Wörnitzgemeinde umgezogen war. Mit den historischen Dokumenten des Vaters war somit eine Basis gelegt für die weitere Archivierung der Heimatgeschichte in der Region mit den umliegenden Kommunen im Allgemeinen und der Gemeinde Wörnitz im Besonderen.

Seit dieser Zeit hat der frühere AEG-Arbeiter alle wichtigen Ereignisse festgehalten, sei es durch eigene Aufzeichnungen oder durch das Sammeln von Zeitungsausschnitten, diversen Unterlagen oder auch einem umfangreichen Bildmaterial. Ein Grund hierfür war auch die Tatsache, dass Günter Hellenschmidt politisch sehr interessiert und engagiert war. So gehörte er dem Wörnitzer Gemeinderat von 1988 bis 2008 an.

So finden sich in dem Privatarchiv Unterlagen über einen Besuch des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß im Jahre 1970 in Wörnitz, als dieser mehr als 3000 Besucher in ein Festzelt gelockt hatte. Auch die umfangreiche bayerische Gebietsreform in den 70er Jahren findet dort ihren Widerhall. Inzwischen haben sich zehn prall gefüllte Ordner mit Unterlagen allein über Wörnitz angehäuft.

Ein weiterer Ordner beinhaltet ausschließlich das Leben, die Karriere und den politischen Werdegang des „großen Sohnes der Gemeinde Wörnitz“. Gemeint ist damit der frühere Landrat Georg Ehnes aus Mittelstetten, der vor seinem Tod im Jahr 1991 ab 1969 Mitglied des deutschen Bundestages und von 1972 bis 1990 Landrat des neuen Großkreises Ansbach war. Später wurde aus diesen Unterlagen eine Chronik erstellt.

Hellenschmidt schätzte diesen „Politiker mit Rückgrat“ sehr. Er hatte beinahe ein väterliches Verhältnis zu ihm, weshalb Ehnes für ihn sowohl politisch wie auch menschlich immer ein Vorbild war. Aber auch die Kreispolitik und andere Themen sind dem Fußballfan ein Aufbewahren wert: So sind in einem weiteren Ordner die Vorgänge um die „Zwölf Stämme“ dokumentiert, wodurch die Gemeinde Wörnitz auch überregional Bekanntheit erlangt hat.

Gleich zwei Aktensammlungen beinhalten die Planungen des Zweckverbandes Interfranken für ein künftiges Gewerbegebiet am Autobahnkreuz und weitere nationale und internationale Themen werden durch umfangreiche Bild- und Foto-Dokumentationen abgerundet. Dabei konzentriert sich die Bildersammlung auf die Gemeinde Wörnitz, die „meine zweite Heimat“ geworden ist, wie der ehemalige Gemeinderat betont, der noch alle Unterlagen aus seiner Zeit in diesem Gremium vorrätig hat.

Seine Motivation war und ist es, das Vorhandene auf der Basis der ihm vom Vater überlassenen Erinnerungen zu bewahren und weiterzuführen, so der rüstige Ruheständler, der nach wie vor interessiert am Gemeindeleben und darüber hinaus teilnimmt. Sein zweites Steckenpferd ist der FC Bayern München, auch wenn ihm die „Clubberer“ im Ort deswegen schon so manchen Streich gespielt haben. Aber er nimmt es mit Humor und einer gewissen Altersmilde. hm


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