Geschichtliche Zusammenhänge zwischen Ohrenbach und Rothenburg
OHRENBACH – Karl Schwarz lebt mit seiner Familie in einem geschichtsträchtigen Haus. Davon zeugt die Adresse „Am Landturm 1“ und der detailliert gearbeitete Wappenstein an der Hauswand, der inzwischen stark verwittert ist. Die Untersuchungen dazu laufen derzeit, ihn für die Nachwelt zu erhalten.
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Die Familie Schwarz in Ohrenbach will den Wappenstein am Haus sanieren lassen. Fotos: Schäfer
Es ist interessant, sich Geschichte und Heimatkunde des besonderen Ortes zu erschließen. In Ohrenbach und im Ortsteil Reichardsroth wohnte im Mittelalter ein Hegereiter, der täglich die Strecke vom Kunigundenturm bis zum Reichardsrother Turm abritt. Der Kollege in Reichardsroth war von seinem Turm bis zum Tauberzeller Riegel im Einsatz.
Die Freie Reichsstadt Rothenburg hatte seinerzeit Landbesitz, die sogenannte „Landwehr“. Zum Schutze dieses Landbesitzes, der eine Fläche von 397 Quadratkilometer mit 183 Ortschaften ausmachte, wurde im Norden und Westen eine 62 Kilometer lange, zum Teil noch heute sichtbare, Wallanlage von Menschenhand errichtet. Im Osten bildete die bewaldete Frankenhöhe die natürliche Grenze gegen das Hinterland und gegen Eindringlinge von außen. Der Hegereiter bewachte das Land und die Grenzen. Zu diesem Zweck ritt er mehrmals täglich auf dem Hegewall, auch genannt Landhege, sein Gebiet ab. Er hob den Wegezoll für die Freie Reichsstadt Rothenburg ein und wohnte in den Landtürmen, die teilweise noch heute in den Dörfern, wie in Großharbach, zu sehen sind. In Ohrenbach wurde der Landturm 1816 abgebrochen und seine Steine als Baumaterial beim Hausbau verwendet.
Nach dem 30-jährigen Krieg schränkte Rothenburg die Zahl der Hegereiter auf zwei ein. Der eine mit Sitz in Reichardsroth betreute die Hege rechts der Tauber, der andere wohnte in Unterreichenroth – zeitweise auch in Spielbach. Ihm war die Hege links des Flusses anvertraut. Bis dahin wirkten in diesem Abschnitt die Hegereiter von Wildentierbach, Leuzendorf, Gammesfeld und Brettheim.
Da die Landhege infolge gesteigerten Einsatzes von Feuerwaffen ihren Rang als äußerer Schutzschild der Reichsstadt mehr und mehr einbüßte, beschränkte sich die Tagesleistung der Hegeverwalter zunehmend auf Zolleinnahme und Forstdienst. Mit der Eingliederung der Reichsstadt Rothenburg in das Kurfürstentum Bayern 1803 und der Übergabe des Fürstentums Ansbach an dieses gleichnamige Königreich erlosch 1806 die politische Grenzeigenschaft der Landhege für immer.
Ortsunkundige irritiert in Ohrenbach das Hinweisschild auf den Landturm. Man sucht das Bauwerk in der Einöde vergeblich, weil es nicht mehr vorhanden ist. Der Turm wurde 1816 abgetragen, sein Standort als Bauplatz für ein zweistöckiges Bauernhaus und sein Steinmaterial zum Bau desselben verwendet. Nur der Wappenstein konnte für die Nachwelt gerettet werden. Es zeigte das Rothenburger Stadtwappen mit seinen zwei Türmen, die bis zur Unkenntlichkeit verwittert sind. 1430 wurde die Gemeinde Ohrenbach durch die Landhege in den Stadtbereich von Rothenburg ob der Tauber einbezogen.
Seit vier Generationen ist der Familienname „Schwarz“ mit dem Anwesen verbunden. Der erste war Johann-Wilhelm Schwarz, ein Gütler (Handwerker), der aus Endsee stammte und das Anwesen in Ohrenbach im Jahr 1891 für 9500 Goldmark erwarb. Die Währung war die seinerzeit im Deutschen Kaiserreich gültig und wurde so genannt, wegen ihres Goldanteils. Verheiratet war Johann-Wilhelm Schwarz mit Anna Magdalena, einer Tochter des Leonhard Stein aus Wachsenberg.
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Anwesen „Am Landturm 1“: den Turm gibt es nicht mehr.
Der heutige Eigentümer, Karl Schwarz (49), hat das historische Anwesen von seinem Vater Karl-Friedrich vererbt bekommen. Davor gehörte es seinem Großvater Johann-Friedrich (er war der Stiefsohn von Johann-Wilhelm Schwarz). Immer wieder wird die Familie auf die besondere Adresse angesprochen, erzählt Karl Schwarz. Er wurde in Rothenburg geboren und ging in Oberscheckenbach zur Schule. Seine ältere Schwester drückte noch in Ohrenbach die Schulbank. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte Karl Schwarz eine Kochlehre im „Baumeisterhaus“ in Rothenburg. Nach der Lehrzeit sammelte er weitere berufliche Erfahrungen in renommierten Hotels in Berlin, München und Grindelwald in der Schweiz. Eine Zeitlang kehrte er nach Hause zurück, um seinen Eltern in der Landwirtschaft zur Hand zu gehen, nachdem der Vater an beiden Hüften operiert werden musste. Mit der Entscheidung, die landwirtschaftlichen Flächen zu verpachten, arbeitete Karl Schwarz wieder als Koch, absolvierte seinen Bundeswehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald und kam dann wieder näher in die Heimat zurück. Vom „Maritim“ in Würzburg wechselte er nach Rothenburg in den „Eisenhut“, wo er seit 1992 arbeitet. Mit Unterstützung der Familie betreibt er noch Landwirtschaft im Nebenerwerb. Ehefrau Birgit stammt aus Obergailnau und ist eine gelernte Konditoreifachverkäuferin. Sohn Dominik (24) ist als Busmechatroniker tätig und Tochter Jennifer (22) im Konditor-Handwerk, beide tüchtige junge Leute.
Die Kosten ermitteln
Kürzlich besuchte die ganze Familie samt zukünftigem Schwiegersohn ein Seminar in Uffenheim vom Amt für Landwirtschaft, das sich mit dem Strukturwandel auf dem Land beschäftigte. Das Thema schärfte der Familie den Blick dafür, dass es sich bei ihrem Anwesen in Ohrenbach um eine Besonderheit handelt und mit frischen Ideen auf sich aufmerksam machen könnte.
Schon vor längerer Zeit hat Karl Schwarz Kontakte zum Verein Alt Rothenburg aufgenommen und sprach jetzt die Geschäftsführerin Pia Grimmeißen-Haider von der Lokalen Aktionsgruppe Region an der Romantischen Straße an. Für das Restaurierungsvorhaben des Wappensteins holte er den fachlichen Rat des Denkmalamtes ein. Am vergangenen Montag besah sich Diplom-Restaurator Christoph Sabatzki das Objekt als Ratgeber bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen. Die Familie Schwarz als Eigentümerin des Wappensteins will wissen, welche Kosten auf sie zukommen. Es könnte eine teure Angelegenheit werden.
An dem Werkstück aus regionalem Schilfsandstein ist ein altersbedingter Substanzverlust erkennbar. Unabhängig davon in wie weit eine Re-konstruktion der fehlenden bildhauerischen Elemente gelingen kann, ist die Sandsteinsubstanz „dringend konservatorisch zu sichern“. sis