Feier um Stein Nummer 67 als Replik am Waldesrand bei Leipoldsberg
LEIPOLDSBERG – Es war eine denkwürdige Veranstaltung an jenem Nachmittag am Waldesrand ganz in der Nähe des Schillingsfürster Ortsteils Leipoldsberg. Commissaire mit Zylinder, Bürgermeister, Siebener, Vermessungsleute und Geschichtsfreunde huldigten einer Grenze, die dort einst zwischen Preußen und dem Fürstentum Hohenlohe-Schillingsfürst verlief. In Erinnerung an sie wurde die letzte von zehn Grenzstein-Repliken gesetzt. Von den einst 100 sind noch 75 Originale erhalten.

Zeichen der Solidarität an Stein 67: Bürgermeister, Siebener und der Chef der Grenzcommissaire. Foto: Weber
Insgesamt 26 Kilometer lang war diese Linie, die beide Territorien auseinanderhielt. Besser gesagt: Sie ist so lang, denn Grenzsteine zeugen noch heute von diesem Kapitel, das nur einige Jahre und damit einen Wimpernschlag in der Geschichte währte.
Längst wäre im wahrsten Sinn des Wortes Gras darüber gewachsen, wenn nicht jener Karlheinz Seyerlein aus Leutershausen bei Waldbegängen mit seinen Freunden vor über 20 Jahren auf einen der alten Grenzsteine gestoßen wäre und im Zentralarchiv derer von Hohenlohe in Neuenstein die Hintergründe aufgestöbert hätte.
Auslöser: englische Lady
Markgraf Alexander von Brandenburg-Ansbach dankte 1792 ab. Auf einer Reise hatte er Elisabeth Craven kennengelernt und sie an seinen Hof nach Ansbach eingeladen, um sie dort zu seiner Mätresse zu machen. Die englische Lady brachte den Markgrafen auf andere Ideen.
Ohne sie wäre Ansbach vermutlich nicht für 14 Jahre preußisch geworden. So aber überließ Alexander sein Fürstentum dem Königreich Preußen, das nun plötzlich östlicher Nachbar des Hauses Hohenlohe-Schillingsfürst wurde.
Zwischen den beiden Fürstentümern (wie auch anderswo in Franken) gab es nur eine Grenze der Hochgerichtsbarkeit, Fraischgrenze genannt. Die regelte nur die Zuständigkeit bei schweren Kriminalfällen. Die Untertanen wohnten gemischt beiderseits der Grenze: hohenlohische in Preußen, preußische im schillingsfürstischen Gebiet. Vieles war in diesem Grenzgebiet seit Jahrhunderten ungeregelt und strittig.
Um das alles zu bereinigen, schlossen Preußen und Hohenlohe-Schillingsfürst einen umfangreichen Landesvergleich ab, einen Staatsvertrag. Dazu gehörte eine neue Landesgrenze. 122 hohenlohische Untertanen wurden preußisch, 65 preußische wurden hohenlohisch.
Jene ehemalige Landesgrenze sei ein historisches Erbe wie ein großes altes Gebäude, sagte Seyerlein beim kleinen Festakt am Waldesrand bei Leipoldsberg. Das Zeremoniell galt dem 67. Stein, der dort als Replik gesetzt wurde. Es ist die letzte von insgesamt 10, die alle Steinmetz- und Bilderhauermeisterin Carolin Domscheit aus Leutershausen in ihrer Werkstatt fertigte. Einen davon stiftete sie.
Bei Grenzstein Nummer 67 in der Reihe der genau 100 handelt es sich um eine dieser Repliken. Ihr beziehungsweise dem Setzen dieser Markierung anstelle des verschwundenen Originals war jetzt jene Feierstunde mit weiß gedeckten Tischen am Waldesrand bei Leipoldsberg gewidmet.
Bürgermeister Michael Trzybinski aus Schillingsfürst stellte in seiner Begrüßung den aktuellen Kontext her. Grenzen seien für die gesamte Menschheit schon immer etwas ganz besonders Wichtiges gewesen, sagte er. Menschen würden immer versuchen, sie zu überwinden, um damit der Tyrannei, Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt in ihren Ländern zu entkommen.
Mit Chorgesang
In seiner Ansprache leuchtete Karlheinz Seyerlein die Geschichte der damaligen Grenzziehung aus und blickte dabei auch gleich ein wenig in die Zukunft. Viel ehrenamtlicher Einsatz stecke hinter dem Erhalt dieser Grenze und habe ermöglicht, dass die Gemeinden, durch deren Gebiet sie verläuft, vergleichsweise geringen Aufwand bei der Sicherung und Ergänzung hatten: „Was noch fehlt, sind Übersichtstafeln an der Grenze und Faltblätter mit dem Grenzverlauf für Geocacher (die ihrem Steckenpferd auf GPS-Basis nachgehen; Anmerkung der Redaktion) und gewöhnliche Wanderer.“
Zurück ins Glied der „Grenzcommissaire“ trat er dann und wurde zum Sänger. Das Lied „Purifikationsgrenze“ erklang, getextet von Horst Götzl aus der Mitte der Herren mit Zylinder, weißem Hemd und schwarzer Fliege in neun Versen zur Melodie einer Volksweise. Bei Vers zwei kullerten augenzwinkernd fast die Tränen: „Kurze Zeit war nur gegeben:/Grausam der Geschichte Lohn!/ Alles ward bald umgestoßen,/dieses dank Napoleon!“ Als der kleine, aber mächtige Franzose auch den gesamten Bereich dort bayerisch machte, war es um die alte Grenze geschehen.
Am Haken eines kleinen Baggers schwebte Stein Nummer 67 in die vorbereitete Vertiefung. Anschließend wurde er per Hand ins Lot gestellt und der Anschluss feinsäuberlich mit Mörtel verfugt.
Hymnus auf die Grenze
Mit seinem Gedicht „Lobpreisung“, das er als Hymnus auf die Grenze rezitierte, verneigte sich Horst Götzl bei dieser Gelegenheit ein weiteres Mal gekonnt vor jener Linie, die ein besonderes, aber eben nur kurzes Kapitel der Geschichte darstellt. 1804 wurde die Grenze gezogen. Sie bestand nur zwei Jahre.
Eine „kleine Bewirtung“ an besagten weißgedeckten Tischen setzte den passenden Schlusspunkt unter die Feier. Da nutzten die Gäste, darunter auch Vermessungsdirektorin Christine Schöpf aus Ansbach, gern die Gelegenheit zum Austausch vor dem Hintergrund dieses besonderen Abschnitts in der Historie. -ww-