Streit um Naturschutzgebiet geht weiter – Verwaltungsgerichtshof: Kein Zwang zum Anstauen
KARRACH – Neueste Episode im alten Streit um den Großen Karrachsee: Tim Näpfel hat sich inzwischen als Eigentümer des unter Naturschutz stehenden Gewässers durch höchste Entscheidung vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigen lassen, dass er es nicht anstauen muss. Nun liegt der See trocken – als Protest gegen die aus seiner Sicht nicht tragbare finanzielle Belastung bei der Reparatur von Biberschäden und weitere unzumutbare Härten.

Seit 1. März wird der Große Karrachsee im Naturschutzgebiet normalerweise jedes Jahr angestaut. Doch diesmal liegt das wertvolle Areal für Fauna und Flora weiter trocken. Fotos: Weber
Was die Naturschützer aufschrecken lässt. Sie befürchten einschneidende Konsequenzen für die dortige Fauna und Flora, wenn es nicht möglichst schnell zu einer Lösung kommt. Konkret betroffen sind schon in diesen Tagen Amphibien bis in vierstelliger Zahl. Sie kommen jedes Jahr mit Beginn des Frühlings aus den anliegenden Waldbereichen an den See, um in den flachen Schilfzonen zu laichen.
Wenn das Wasser fehlt, werde die Population vor allem der Erdkröten, aber auch der Teichmolche durch Notablage der Eier auf ungeeignetem, trockenem Terrain erheblich gestört, sagt Bernd Horbaschek als Vorsitzender der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe Rothenburg voraus. Der Nachwuchs der Amphibien werde schlechte oder überhaupt keine Aussichten haben zu überleben.
Als Naturschützer möchte er deshalb, dass Tim Näpfel finanziell mehr unter die Arme gegriffen wird, als das bisher in Aussicht gestellt ist. Einmalig 400 Euro sind signalisiert und die Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten. Aber das ist angesichts der Summe, die aufzubringen wäre, viel zu wenig.
Den Eigentümer des rund fünf Hektar großen „wertvollsten Juwels, das wir in dieser Hinsicht hier haben“ könne er gut verstehen. Dass er sich nicht bereitfindet, die finanziellen Belastungen in dem Maße zu schultern, wie man das von behördlicher Seite gern sähe, sei nachvollziehbar. Aber kann der Staat verlangen, dass der Eigentümer einer unter Naturschutz stehenden Fläche Einkommen aus seiner Berufstätigkeit in einem solch hohen Maße bereitstellt, um hier die Buchstaben des Gesetzes mit Leben zu füllen? Fest steht: Der Biber macht sich seit über 20 Jahren besonders in und an einem Turmhügel an der Südwestecke des Sees breit. Zum Nachteil dieses Bodendenkmals, das von einem tiefen Graben umgeben ist und auf ein Schlösschen zurückgeht, das hier einst stand. Dabei hatte sich der Biber ganz nett eingeführt, als er 1995 von der Altmühl kommend am helllichten Tag an den Näpfels und ihrem Besuch vorbei über den Damm trippelte. Er nahm das Defilee ab und zog in den See ein, als wär’s das Selbstverständlichste der Welt.
Ausgleichsgelder fehlen
Aber längst hat sich die Einstellung zu diesem Nager grundlegend geändert. Die Schäden, die er angerichtet hat und immer noch anrichtet, sind unübersehbar. Das betrifft neben dem Turmhügel, von dessen Obstbaumbestand längst nichts mehr übrig ist und in den tiefe Höhlen gegraben sind, auch die teils vor dem Einbrechen stehende Zufahrt zum Mühlengebäude der Näpfels und die angeknabberte Gründung eines Lagerschuppens.

Karrachsee-Eigentümer Tim Näpfel.
Tim Näpfel geht davon aus, dass es 20000 Euro und mehr kosten dürfte, das alles auch nur einigermaßen zu reparieren. Unter Naturschutz steht der Große Karrachsee seit 1990. Seit 2001 gibt es keine Ausgleichsgelder mehr für die Eigentümerfamilie. 2008 überschrieb Hans Näpfel das Areal an seinen Sohn Tim, einen Bauarbeiter. 2009 wurde entschieden, den Großen Karrachsee nicht, wie beantragt, ins Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm aufzunehmen. Wegen „Auflagenüberschneidung“. Im gleichen Jahr begann der Verwaltungsgerichtsstreit mit dem Freistaat Bayern.
Der ist im August letzten Jahres in diesem ganz wesentlichen Punkt gewonnen worden. Was jetzt zu einer einigermaßen paradoxen Situation führt. Schutzzweck für die fast sechs Hektar große Fläche (davon bei Anstau etwas über vier Hektar unter Wasser) ist es eigentlich, die für diesen Feuchtigkeitskomplex charakteristischen Pflanzen- und Tierarten zu fördern und ihren Lebensraum zu erhalten. Aber wie steht es damit ohne Wasser im See?
„Ich geh doch nicht auf die Arbeit, um ein Naturschutzgebiet zu erhalten,“ meint Tim Näpfel kopfschüttelnd. Trotz Verwaltungsgerichtsurteil geht das Gerangel mit den Behörden weiter. Zuletzt wurde unter anderem bemängelt, die Anstauhöhe reiche nicht aus. Es wurden auf Kosten des Freistaats Veränderungen am Mönch angekündigt, weil sonst der Schilfgürtel trockenfallen würde. Ob sich diese Betrachtung inzwischen erledigt hat? Die Regierung von Mittelfranken habe aus naturschutzfachlichen Gründen großes Interesse an der Bespannung des Karrachsees zwischen dem 1. März und dem 15. September, teilt Pressesprecherin Karin Christ aus dem Ansbacher Schloss auf Anfrage unserer Redaktion mit. Die Biberaktivitäten hätten nichts mit dem Einstau des Sees zu tun. Damm und Hochwasserüberlauf seien mit erheblichen staatlichen Zuschüssen bibersicher saniert worden.
Möglichkeiten prüfen
Etliche Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung künftiger Schäden seien bislang von dem Betroffenen als unzureichend abgelehnt worden. Zur Sicherung der Erhaltungsziele seien ihm mehrfach vom hierfür zuständigen Landratsamt Ansbach Gespräche über die Aufnahme ins Vertragsnaturschutzprogramm angeboten worden. In einem Gespräch Anfang Februar bei der Regierung von Mittelfranken sei dem Betroffenen erneut Unterstützung sowie die Prüfung finanzieller Möglichkeiten zugesagt worden, „soweit solche haushaltsrechtlich zulässig sind.“ Inzwischen ist der Petitionsausschuss des Landtags von Tim Näpfel angerufen worden. Bezüglich aller sonstigen Maßnahmen im Naturschutzgebiet „Karrachsee“ sei jetzt dessen Entscheidung abzuwarten, teilt Pressesprecherin Karin Christ mit. -ww-