Elisenstift nimmt am bayernweiten Präventionsprogramm „Gutes Sehen in Pflegeeinrichtungen“ teil
SCHILLINGSFÜRST – Nur noch mit Mühe lassen sich kleine Buchstaben entziffern, die Konturen von Gesichtern und Gegenständen verschwimmen und das Blickfeld verengt sich: Viele tun diese Symptome als Erscheinungen ab, die sich mit der steigenden Anzahl an Lebensjahren unweigerlich einstellen. Doch Alter und die Fähigkeit gut zu sehen schließen sich nicht aus, wie ein Präventionsprogramm für Pflegeeinrichtungen beweisen möchte.
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Augenoptikermeisterin Elena Meuser führt bei einer Bewohnerin des Elisenstifts den Sehtest durch. Foto: Scheuenstuhl
2016 wurden die Pflegekassen in Bayern aktiv und forcierten mittels dieses Projekts die Aufklärung von Pflegeeinrichtungen, Senioren und deren Angehörigen darüber, was „gutes Sehen“ eigentlich bedeutet. In erster Linie: Lebensqualität, also etwa die Zeitungslektüre weiterhin lesen, sich sicher durch die eigenen vier Wände bewegen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Das Elisenstift Schillingsfürst hat sich für dieses Programm beworben und bekam jüngst Besuch von vier Mitarbeitern des Blindeninstituts Würzburg. Neben einem öffentlichen Informationsabend führten diese auch Augenuntersuchungen bei denjenigen Bewohnern durch, die sich dafür meldeten.
Augenarzt kommt ins Haus
Das Blindeninstitut Würzburg betreut im Rahmen dieses Präventionsprogramms 40 vollstationäre und 23 teilstationäre Pflegeeinrichtungen in ganz Bayern. Das Elisenstift zählt zu den wenigen Einrichtungen, bei denen noch regelmäßig ein Augenarzt ins Haus kommt, weiß Denis Herrlinger vom Blindeninstitut zu berichten. Einmal im Quartal besteht also für die Bewohner im Elisenstift die Möglichkeit, ihre Augen von einem Experten untersuchen zu lassen.
Dennoch empfanden viele der Bewohner die 45-minütige Untersuchungen durch die Mitarbeiter des Blindeninstituts als eine besondere Form der Zuwendung. Immer wieder äußerten sie ihren Dank. „Ich freue mich so, dass sich jemand für mich noch solche Mühe gibt“ war eine Aussage einer Bewohnerin. Augenoptikermeisterin Elena Meuser erkundigt sich zu Beginn der Untersuchung zunächst danach, wann der letzte Augenarztbesuch war, welche Medikamente eingenommen werden, ob sonstige Augenerkrankungen vorliegen und ob die Augen bereits operiert wurden.
Ebenso lässt sie sich die Sehhilfen der Bewohner zeigen und da bietet sich ihr oft dasselbe Bild: Viele ältere Menschen verfügen über ein Sammelsurium an Brillen – teils eigene aus früheren Zeiten, teils von verstorbenen Ehepartnern übernommen. Sie setzen dann abwechselnd diejenige Brille auf, mit der sie meinen, gerade am besten sehen zu können. Die falsche Sehstärke und das ständige Tragen von Lesebrillen führt aber zu einer Verschlechterung der Augen.
Elena Meuser misst deshalb die Sehstärke der Brillen aus und führt verschiedene Sehtests bei den Bewohnern durch, etwa den Amslertest zur Untersuchung der Netzhaut. Aber auch ein Lesetest, bei dem die Abschnitte eines Textes in immer kleiner werdender Schrift dargestellt sind, gehört zum Repertoire der Untersuchung. Das Lesen von kleingedruckten Texten – wie etwa in einer Zeitung – ist das erste, was ältere Menschen aufgeben müssen, wenn die Sehkraft nachlässt, weil es sie zu sehr anstrengt, die Buchstaben zu entziffern. Dies war auch bei einer untersuchten Elisenstift-Bewohnerin der Fall. Als Lehrerin habe sie immer viel gelesen. Heute nehme sie nur noch das Gesangbuch und das Gebetbuch zur Hand. „Aber da kenne ich das meiste eh auswendig“, sagt sie.
Genügend Licht beim Lesen
Irgendwann reicht aber auch eine Brille allein nicht mehr aus, um bestimmte Schriftgrößen lesen zu können. Doch dann könne man zusätzliche Hilfsmittel, wie etwa eine Aufsetzlupe verwenden, so Elena Meuser. Ganz wichtig sei auch, laut Expertin, sich beim Lesen genügend Licht zu machen. Nach der Untersuchung der Bewohner bespricht sie sich mit dem Pflegepersonal, um ihnen eventuell Handlungshinweise, etwa die regelmäßige Gabe von Augentropfen, ans Herz zu legen.
Das Thema „gutes Sehen“ komme in der Ausbildung oft nicht vor, sagt Denis Herrlinger. Deshalb soll im Rahmen einer Schulung das Bewusstsein für die Situation der betroffenen Bewohner gestärkt werden. Das Präventionsprogramm zielt dabei auf einen „Aha-Effekt“ bei den Mitarbeitern der Einrichtung ab. So kann einem Pfleger beispielsweise klar werden, dass eine Bewohnerin wegen ihrer starkt eingeschränkten Sehkraft Angst bekommt, wenn sie im Rollstuhl umher geschoben wird.
Keine Kosten
Zu den Aufgaben des interdisziplinären Teams des Blindeninstituts gehört es auch, sich das Gebäude der Einrichtung anzuschauen und auf verbesserungsbedürftige Stellen – etwa wenn ein Bereich zu dunkel ist – hinzuweisen. Für die jeweilige Einrichtung fallen für die Teilnahme an dem Programm keine Kosten an. Diese werden komplett von den Kassen getragen. Das hat jedoch den Nachteil, dass jede Einrichtung von den Experten aus Würzburg auch nur einmal besucht werden darf. Lediglich per Evalutionsbogen findet ein Jahr nach dem Besuch noch eine Art „Nachsorge“ statt.
Ansonsten liegt es dann an dem von der Einrichtung eingesetzten Sehbeauftragten, das Thema weiterhin im Bewusstsein der Leitung, des Pflegepersonals und der Bewohner und ihrer Angehörigen zu verankern. Das Präventionsprogramm zeigt, dass sich eine Sehbeeinträchtigung im Alter mit der richtigen Versorgung lindern und teilweise auch ausgleichen lässt. Doch auch für das Auge gilt: Vorsorge ist die beste Medizin. Und so raten Experten nicht umsonst, sich ab dem 40. Lebensjahr einmal pro Jahr von einem Augenarzt zur Kontrolle untersuchen zu lassen. mes