Gailrother Großveranstaltung aus kleinsten Anfängen entwickelt
GAILROTH – Was vor rund zwei Jahrzehnten aus einer Bierlaune heraus entstanden war, hat bis heute nichts von seiner Attraktivität eingebüßt und zieht jährlich Massen von Besuchern an: Der Gailrother Almabtrieb findet am Samstag, 24. Okto-ber zum 20. Mal statt und feiert damit ein kleines Jubiläum. Aus kleinen Anfängen wurde im Laufe der Zeit eine für Westmittelfranken außergewöhnliche Großveranstaltung an der Kapazitätsgrenze.
Nach einer Feuerwehrübung in dem Ortsteil von Schnelldorf war man im Juni 1996 im damals noch vorhandenen Dorfwirtshaus bierselig zusammengesessen. Die Idee für einen Almabtrieb schwirrte schon länger in den Köpfen einiger Ortsbewohner, weil ein örtlicher Landwirt in jedem Herbst seine Kühe von einer Weide in Theuerbronn heim nach Gailroth bringen musste. „Wenn ihr das Vieh mal durch das ganze Dorf treibt, zahle ich 100 Liter Bier“, entfuhr es Herbert Gundel. Damit war die Idee für den ersten Gailrother Almabtrieb geboren, weil sich die anderen durstigen Kehlen dieses Angebot nicht entgehen lassen wollten. Weil aber „nur Trinken langweilig ist“ und in der Herbstzeit ohnehin alljährlich eine Kuh geschlachtet worden war und man darüber hinaus Beziehungen zu einem Meerrettich-Händler hatte, entschloss man sich spontan, am 9. November 1996 nach dem Viehtrieb eine gesellige Veranstaltung mit Rindfleisch in Meerrettichsauce in der Autogarage des besagten Landwirts abzuhalten.

Seit 20 Jahren wird in Gailroth ein Almabtrieb abgehalten. Aus kleinen Anfängen wurde ein Großereignis. Fotos: Meyer
In den ersten beiden Jahren handelte es sich um eine ausschließlich private Veranstaltung; nur wer persönlich eingeladen war durfte daran teilnehmen. 1998 wurde der Gailrother Almabtrieb dann erstmals öffentlich abgehalten, fand aber noch immer auf dem landwirtschaftlichen Anwesen am Ortseingang aus Richtung Theuerbronn statt. Pioniergeist und Flexibilität war gefragt, um die eine oder andere Hürde zu nehmen. Eine Halle und selbst ein Fahrsilo mussten als Veranstaltungsort herhalten; eine Bar wurde kurzer Hand im Kornspeicher improvisiert. Als Tanzfläche diente eine Getreide-Box. Weil der örtliche Obst- und Gartenbauverein mit seinem damaligen Vorsitzenden Gerhard Günner zu dieser Zeit keine eigene Veranstaltung ausrichtete und somit einer Einnahmequelle entbehrte, nahm sich dieser Verein ab 1998 der Ausrichtung des nunmehr alljährlichen Almabtriebs an. Nachdem 1999 in dem kleinen Ort mit dem Bau einer großen Gemeinschaftsmaschinenhalle begonnen worden war, wurde der gesellige Teil der Veranstaltung im gleichen Jahr erstmals in zwei Zelten im Rohbau der Halle ausgetragen. Fortan sollte die Räumlichkeit zum Stimmungsmittelpunkt des Spektakels werden.
Hatte sich der eigentliche Almabtrieb in den ersten Jahren auf einige Kühe, Ziegen und Schafe konzentriert, welche von kleinen Kindern und dem örtlichen Posaunenchor auf einem Pkw-Anhänger begleitet worden waren, so änderte sich dies mit einem Vorstellungsgespräch des damaligen Bürgermeisterkandidaten Thomas Unhoch im Jahre 2002 grundlegend. Unhoch stammt aus Söchtenau bei Rosenheim und noch während seiner Vorstellung beim Vorsitzenden des Gartenbauvereins wurde ihm das Versprechen abgerungen, dass er die Blaskapelle seines Heimatortes samt Trachtengruppe zum Almabtrieb bringen wird, sollte er zum neuen Schnelldorfer Bürgermeister gewählt werden. Nachdem Unhoch am 1. Mai 2002 auf dem Chefsessel im Rathaus Platz genommen hatte, musste er sein Versprechen einhalten und der Almabtrieb erlebte einen großen Aufschwung und wurde zu einem festen Bestandteil im Veranstaltungskalender.
Ein erster Besuch des Bayerischen Fernsehens hatte der Veranstaltung 2002 zusätzlich einen großen Schub verliehen. Fortan musste in der Halle Jahr für Jahr mehr Platz geschaffen werden und Musikkapellen aus dem Allgäu mit farbenfrohen Trachtengruppen gehörten in der Folge zum Standardrepertoire des alljährlichen Umzuges. Weil der Gartenbauverein mit der immer größer werdenden Veranstaltung zunehmend überfordert war, übernahm ab 2006 eine eigens ins Leben gerufene Festgemeinschaft die Organisation und Ausrichtung. Seitdem wird der kleine Festzug zum Almabtrieb von Jahr zu Jahr attraktiver. So wird am 24. Oktober erstmals auch eine Jugendgruppe aus Tiefenbach mit Einrädern beteiligt sein. Überhaupt nimmt der baden-württembergische Einschlag einen großen Anteil an der Veranstaltung, haben doch schon Teilnehmer und Gruppen aus Gammesfeld, Schrozberg, Hausen am Bach und Fichtenau mitgewirkt. Auch das Publikum kommt zu einem großen Teil von der anderen Seite der Landesgrenze. Jahr für Jahr zählt man mittlerweile weit über 2000 Besucher, doch ist die Kapazitätsgrenze jetzt erreicht. Mehr will man nicht und mehr kann man auch nicht, so der einhellige Tenor. Eine Vergrößerung würde auch dem einmaligen Flair und der Atmosphäre der Veranstaltung schaden, ist man sich vor Ort einig.
Ohnehin ist in der Woche vor dem Almabtrieb das ganze Dorf mit zahlreichen Bekannten und weiteren freiwilligen Helfern gefordert, um das Großereignis jedes Jahr zu stemmen. Auch werden die beteiligten Gruppen aus dem Allgäu am alljährlichen Wochenende mit der Zeitumstellung auf die Winterzeit privat untergebracht, wodurch schon viele Freundschaften entstanden sind. Oft war ein gemeinsames Frühstück im örtlichen Dorfgemeinschaftshaus am folgenden Sonntagmorgen schon die Krönung der eigentlichen Veranstaltung, weil dann die Mitwirkenden endlich auch Zeit zum Feiern hatten. Nach getaner Arbeit ist jeder im Dorf dann stolz, wieder dabei gewesen zu sein. hm